Bellizistenpreis des deutschen Buchhandels

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels als Büttel der Kriegspolitik

(9. Oktober 2025)

Am 19. Oktober 2025 wird in der Frankfurter Paulskirche der „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels“ an den Historiker Karl Schlögel verliehen werden. Die Laudatio wird die ukrainische, seit 1999 in Deutschland lebende Schriftstellerin Katja Petrowska halten. Man ist also unter sich. Eigentlich hatte man sich Swetlana Alexijewitsch als Laudatorin gewünscht, aber bei deren Friedenspreisverleihung im Jahre 2013 war halt Schlögel der Laudator… und das wäre dann doch zu inzestuös gewesen.

„Nach der Annexion der Krim durch Russland hat Karl Schlögel seinen und unseren Blick auf die Ukraine geschärft und sich aufrichtig mit den blinden Flecken der deutschen Wahrnehmung auseinandergesetzt. Als einer der Ersten hat er vor der aggressiven Expansionspolitik Wladimir Putins und seinem autoritär-nationalistischen Machtanspruch gewarnt. Eindrücklich beschreibt er die Ukraine als Teil Europas und fordert auf, das Land um unserer gemeinsamen Zukunft willen zu verteidigen. Seine Mahnung an uns: Ohne eine freie Ukraine kann es keinen Frieden in Europa geben. […] Seit Beginn von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine 2022 wendet sich Schlögel gegen dessen geschichtspolitische Begründung. Seitdem profiliert er sich als streitbarer Kritiker Putins und als Stimme für eine souveräne Ukraine.“,

heißt es in der Begründung des Stiftungsrates. Der Preis gilt also dem Verteidiger der Ukraine.

Die Entscheidung für Schlögel wurde in den deutschen Medien allenthalben, von FAZ bis taz („Chapeau!“) emphatisch begrüßt. Niemand kenne den postsowjetischen Raum so gut wie er, meint die taz und nennt ihn einen „frühzeitiger Warner“ (taz.de vom 29.7.2025 {15.9.2025]).

Gegenstimmen gab es nur wenige. „Nein, bitte nicht“, seufzte Peter Neumann in der ZEIT vom 31.7.2025, „Wieder eine Stimme, die sich in der Ukraine-Frage durch entschiedene Kriegsrhetorik hervorgetan hat. Nach Serhij Zhadan und Anne Applebaum erhält nun Karl Schlögel den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.“

Ja, begonnen hat es 2022 mit einer Buchmesse, bei der die Amtssprache Ukrainisch zu sein schien, die (deutsche) Intellektuellenszene in Solidarität mit der Ukraine schwelgte und Serhij Zhadan den Preis erhielt. Auch damals meldete sich DIE ZEIT mit einem Kommentar zu Wort, der die Preisverleihung ironisierend zu legitimeren versuchte:

„Es ist ein Skandal. Am kommenden Sonntag wird in der Frankfurter Paulskirche der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an den ukrainischen Dichter Serhij Zhadan vergeben. Der Friedenspreis ist einer der wichtigsten europäischen Kulturpreise unserer Zeit. Die ausgezeichnete Persönlichkeit muss, so steht es im Statut, in hervorragendem Maße "zur Verwirklichung des Friedensgedankens" beigetragen haben. Der Preisträger dieses Jahres bezeichnet in seinem soeben im Suhrkamp Verlag erschienenen Buch Himmel über Charkiw die Russen als "Horde", "Verbrecher", "Tiere", "Unrat". Er schreibt: "Die Russen sind Barbaren, sie sind gekommen, um unsere Geschichte, unsere Kultur, unsere Bildung zu vernichten." Er schreibt: "Brennt in der Hölle, ihr Schweine." Selbst wenn es hier nicht um unseren wichtigsten Preis im Namen des Friedens ginge, wäre das ungeheuerlich. Ist Literatur nicht für das Gegenteil dieser einseitigen, hasserfüllten Parteinahme geradezu erfunden worden? Ist das nicht die große Kunst: das Nicht-zu-Verstehende verstehen? Den entmenschlichten Gegner als Menschen erkennen und beschreiben? Ist es nicht einfach nur fatal, in diesen grauenvollen, hasserfüllten Zeiten den Hass mit literarischen Mitteln noch zu verstärken?

Die Frage, ob der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an einen solchen Menschen verliehen werden darf, war freilich schon im Untertitel beantwortet: „Darf das sein? Leider ja!“

Lässt man einmal das geheuchelte „leider“ beiseite, bleibt immer noch die Frage, warum „das sein darf“. Sie wurde damals durch ein Zitat von Navid Kermani, Preisträger des Jahres 2015, ersetzt, der auf die Frage, ob ein Friedenspreisträger zum Krieg aufrufen darf, heute sage: "Sieben Jahre später sind wir so weit. Offensichtlich darf er. Und warum? Weil der Krieg inzwischen in Europa angekommen ist." Offensichtlich ist an dieser Begründung freilich nur der Unsinn: Dass Krieg herrscht („angekommen ist“), vermag den Aufruf zum Krieg keineswegs zu legitimieren. Und dass er „in Europa“ angekommen ist? Ja, wir Europäer führen Kriege oder lassen sie führen, aber bitte außerhalb Europas!

Schließlich das furiose Finale des ZEIT-Kommentars: „Der Skandal ist nicht der Dichter und nicht sein Buch. Der Skandal ist der russische Überfall auf die Ukraine und das tägliche Töten. Die Literatur wehrt sich mit ihren Mitteln. Und kämpft für nichts anderes als Frieden.“

Will heißen: Mit den Ursachen von Krieg hat die Literatur nichts zu tun. (Die zu analysieren, erscheint sie in der Tat zu dumm.) Sie wehrt sich mit ihren Mitteln (gegen wen eigentlich?), also dem Aufruf nicht nur zur Fortsetzung des Kriegs, sondern zur völligen Entmenschlichung des Gegners. Und damit da keine Zweifel aufkommen, dekretiert sie: Wir kämpfen für nichts anderes als den Frieden. Schluss.

Es kam das Jahr 2024 und der Preis an Anne Applebaum. Schauen wir wieder einmal in DIE ZEIT: „Anne Applebaum erhält Friedenspreis des Deutschen Buchhandels“, titelte sie am 25.Juni 2024. „Für ihren Beitrag zur Bewahrung von Demokratie und Frieden ehrt der Deutsche Buchhandel Anne Applebaum. Die Historikerin und Journalistin warnte früh vor Wladimir Putin“ (https://www.zeit.de/kultur/literatur/2024-06/anne-applebaum-friedenspreis-des-deutschen-buchhandels).

Selbstverständlich ist es Bellizisten wie Zadan, Applebaum und Schlögel unbenommen, das zu tun, was in den Begründungen des Stiftungsrats mit Formeln wie „Kampf für den Frieden“, „Stimme für eine souveräne Ukraine“ oder „Beitrag zur Bewahrung von Demokratie und Frieden“ camoufliert wird, nämlich die Lieferung von immer mehr Waffen an die Ukraine bis zur herbeigesehnten militärischen Niederlage Russlands zu fordern.

Eine Schande ist es indes, dass der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sich mit diesen Preisverleihungen zum Büttel einer auf Eskalation dieses Krieges zielenden westlichen Politik macht und dabei – nicht verwunderlich – den Beifall des ganz überwiegenden Teils der deutschen Medien findet. Drei sogenannte Friedenspreise und kein Wort von Frieden, von Verständigung oder Diplomatie.

„In der Nacht vor der Bekanntgabe wurden 22 ukrainische Zivilisten durch russische Angriffe getötet“, beschließt der ZEIT-Journalist Cammann sein Contra zum oben zitierten Peter Neumann in derselben Ausgabe, in dem er die Preisvergabe an Schlögel feiert. Vielleicht wird man gleiches für die Nacht vor der Preisverleihung am 19. Oktober vermelden können. Und was hat Schlögel, was hat der Börsenverein des Deutschen Buchhandels getan, damit dies endet? Nichts! Nichts? Nein, weniger als nichts. Sie arbeiten daran, dass das weitergeht. So kämpft die (deutsche) Literatur „für nichts anderes als Frieden“. Kann man dafür etwas anderes als Verachtung empfinden?