Die Wahrheit ist auf dem Platz
5. April 2025
Dieses Otto Rehhagel zugeschriebene Wort hat auch nach zahllosem Wiederholen nichts von seiner Richtigkeit und vor allem seiner vielfältigen Einsatzfähigkeit verloren. Und eine seiner Varianten kann auch lauten: Die Wahrheit ist auf dem Schlachtfeld.
Wir alle erinnern uns an die Zeiten, in denen über die Lieferung deutscher Waffen an die Ukraine noch öffentlich diskutiert wurde. Es waren selige Zeiten, weil eben noch diskutiert wurde, und es waren ebenso unselige Zeiten, weil diese Diskussionen nichts als Beruhigungspillen für das für dumm verkaufte Publikum waren. Egal wie die Diskussionen verliefen, geliefert wurde – eine Ausnahme stellt nur der Taurus dar, jener Stier, den die GRÜNEN nach dem Leoparden endlich freigelassen sehen wollten („Free the Leopard“, „Free the Taurus“) – immer. (Eine ebenso dümmliche wie bigotte Äußerung der damaligen EKD-Ratsvorsitzenden Kurschus fällt einem dazu ein. Sie sei dafür, dass, nach sorgfältiger Abwägung, Waffen an die Ukraine geliefert würden. Wie gefällt Ihnen das, Frau Kurschus: Ich bin dafür, nach sorgfältiger Abwägung aus der Kirche auszutreten?)
Nun, inzwischen wird über Waffenlieferungen nicht mehr diskutiert, sie erfolgen schlicht und einfach in steigendem Umfang und werden verlautbart… oder auch nicht. Kein Gipfel, keine Reise eines Ministers, bei der keine Zusage für neue Waffen erfolgen würde. Und das leidige Finanzierungsproblem ist ja mit der grenzenlosen Rüstungsverschuldung jetzt auch endgültig Vergangenheit.
So viel zur Zusage von bzw. der Lieferung von Waffen. Danach allerdings herrscht öffentliches Schweigen. Wie die Waffen in die Ukraine gelangen, natürlich geheim, geheim… Musterknabe Polen ist die Drehscheibe für alles, für Humanitäre Hilfe, für westliche Waffen, für westliche Minister und Ministerinnen…so viel ist klar.
Welches Schicksal die westlichen Wunderwaffen auf dem Schlachtfeld erleiden, darüber wird nichts bekannt, darüber soll nichts bekannt werden. Saßen die Kriegsreporter in Vietnam noch mit baumelnden Beinen in der geöffneten Tür des Helikopters, sieht man jetzt… nichts. Das heißt, ab und an gibt es so etwas wie Home-Stories von der ukrainischen Front oder man sieht ukrainische Soldaten, die eine Kanone abfeuern und dann wie Buben, die gerade einen Silvesterknaller in den Flur des Nachbarn geworfen haben, davonrennen. Toll!
Woran liegt das? Es liegt zuerst daran, dass sich die deutschen Medien, die sich natürlich für die objektivsten, wahrhaftigsten, unbestechlichsten der Welt halten, seit Beginn des Ukrainekrieges ein Schweige-Gelübde dergestalt auferlegt haben, nichts über die ukrainische Armee, deren Anwesenheit, deren Aktionen und auch deren Verluste an Menschen und Material zu berichten. Und so lässt sich jeder russische Angriff auf eine Stadt, in der sich die ukrainische Armee verschanzt hat, als ein Angriff auf die Zivilbevölkerung verkaufen. Während also anderswo Propaganda dominiert, herrscht hier Pressefreiheit. Und deren höchste Form ist nun einmal, Dinge zu verschweigen oder falsch zu berichten.
Auf diese Weise erfährt das Publikum natürlich auch nichts über die Wirkung der westlichen Waffen auf dem Schlachtfeld. Ist der Leopard 2 wirklich die Wunderwaffe, mit der die Ukraine, hätte sie nur genug davon, schon bis Moskau vorgestoßen wäre? Was ist mit den anderen Tieren, Marder, Puma…Tiger… uups, den gab es ja nur in der der Wehrmacht… und wie sie alle heißen. Und hat die Göttin des Regenbogens, Iris – welch ein zynischer Name – erfolgreich die Botschaft der westlichen Götter überbracht?
Wir wissen es nicht. Aber das heißt nicht, dass es andere auch nicht wissen. Im Gegenteil.
Der Ukrainekrieg bietet eine einzigartige Gelegenheit, die Wirksamkeit von Waffen und Waffensystem zu erproben. Die deutsche Wunderwaffe Leopard 2 hat etwa noch nie an einem realen Krieg teilgenommen. Man wusste also nicht, was sie in der Realität kann oder nicht kann. Inzwischen wird man entsprechende Kenntnisse erlangt haben. Dasselbe gilt für alle anderen Waffen. Dieser Krieg ist der willkommene Schauplatz, all die schönen Waffen, die man in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, aber nie in einem klassischen Landkrieg einsetzen konnte, zu testen, unbrauchbare auszusortieren, Bewaffnungsprioritäten zu verändern… Danke also für diesen Krieg! Die Wahrheit ist eben doch auf dem Platz.
Wer könnte es besser auf den Punkt bringen als die allzeit bereite FAZ. „Endlich Drohnen“ jubelt sie am 4. April erleichtert. „Spätestens seit Putins Überfall auf die Ukraine weiß die ganze Welt, dass ein neues Waffensystem das Kriegführen verändert wie einst das Maschinengewehr, der Panzer und die Rakete: die Drohne.“
Nun beschafft also auch die Bundeswehr in großem Stil Drohnen. Nochmal: Danke für diesen Krieg! Und möge er im Interesse fortschreitender Erkenntnisse nicht schnell zu Ende gehen! Oder in der lingua franca dieser Zeit: May the war be with you!
Nachtrag
Als gehe es darum, den vorstehenden, Anfang April verfassten Beitrag zu bestätigen, meldet tagesschau.de am 10.4.2025:
„Kaum ein Großgerät ‚uneingeschränkt kriegstauglich‘“
Berichtet wird über einen Vortrag, den der stellvertretende Militärattaché der deutschen Botschaft in Kiew vor Soldaten der Unteroffiziersschule des Heeres in Delitzsch gehalten und dabei „in ziemlich undiplomatischen Worten“ die Erfahrungen der Ukrainer mit deutschem Kriegsgerät beschrieben habe.
„Demnach habe die Panzerhaubitze 2000 eine "so hohe technische Anfälligkeit, dass Kriegstauglichkeit stark infrage gestellt wird". Der Kampfpanzer Leopard 1A5 gelte zwar als "zuverlässig", werde "aber aufgrund zu schwacher Panzerung oft nur als Behelfsartillerie eingesetzt", beim neueren Leopard 2A6 sei der Aufwand der Instandsetzung hoch, und oft keine Feldinstandsetzung, also eine Reparatur an der Front, möglich.
Das Luftverteidigungssystem IRIS-T sei sehr wirkungsvoll, allerdings sei der Preis für die Munition zu hoch und diese "nicht in der notwendigen Zahl vorhanden". Auch das Flugabwehrsystem PATRIOT sei grundsätzlich ein "hervorragendes Waffensystem", aber "untauglich für den Kriegseinsatz, weil Trägerfahrzeug zu alt und keine Lieferung von Ersatzteilen seitens Hersteller mehr möglich".“
tagesschau.de resümiert:
„Andererseits ist nicht von der Hand zu weisen: Auf dem Schlachtfeld in der Ukraine findet nun ein Praxistest für Waffensysteme statt, die von der Bundeswehr bislang vor allem unter Übungsbedingungen eingesetzt wurden - und die oftmals vor langer Zeit für Kriegsszenarien entwickelt wurden, in denen neuere Entwicklungen wie der massive Einsatz zum Beispiel von Drohnen nicht einkalkuliert worden war.“